Ein eigenes Kino für die WG Golbers-Drelsdorf:
           einzigartiges Modell für Menschen mit Demenz


Grundgedanke bei diesem Projekt ist „die liebevolle Inszenierung der Lebenswirklichkeit“ für Menschen mit Demenz. Konzepte dieser Art werden z. B. in den Niederlanden bereits in Wohnprojekten verwirklicht. Dabei werden Lebensräume wie z. B. Kaufmannsladen, Reisebus usw. installiert, in denen sich Bewohner in ihren Lebenserinnerungen wiederfinden können. (siehe Stern online vom 9.6.2020: Würdevolles Leben mit Demenz: So liebevoll wird Dementen in Holland ihr Leben inszeniert).
In der selbstbestimmten Wohngemeinschaft Golbers werden 12 Menschen mit Pflegebedarf zur Miete wohnen. Menschen mit Demenz verfügen nur über ein eingeschränktes Kurzzeitgedächtnis. Sie erinnern sich an Erlebtes aus der Kindheit, der Jugend und Zeit als junge Erwachsene besser, da die Erlebnisse mit vielfältigen Emotionen verbunden sind. Diese Erinnerungen sind in einer tieferen Hirnregion gespeichert, als die Ereignisse der Jetzt-Zeit.
In der Jugendzeit der Mieter war das Fernsehen noch kaum verbreitet, aber dem Kinobesuch kam in der Freizeit eine große Bedeutung zu. Kino war mit großen Emotionen verbunden (Freude, Trauer, Liebe ...). Es hat die Menschen aus ihrem Alltag herausgeholt.

Kinowerbung - sofort werden Erinnerungen wach.                                        Quelle: www.filmposter-archiv.de


Kinobesuch im Freundeskreis, Kinobesuch beim Rendezvous, erster Kuss …, das sind die Erlebnisse, die die Menschen mit Kinobesuch verbinden.
Menschen mit Demenz sind über Geschehnisse/Gegenstände/Ereignisse aus der lange zurückliegenden Vergangenheit gut zu erreichen. So kann z. B. ein Einrichtungsgegenstand die Erinnerung an schöne Erlebnisse wachrütteln („triggern“ im Sinne von Gesprächsauslöser sein).

Im Gebäude der Dorfstr. 30 von Drelsdorf ist im Obergeschoss des bisherigen Wohnhauses ein Kino eingerichtet. Das Kassenhäuschen wie auch die große Eingangstür in den Saal stammen original aus einem Kino der 50er-Jahre. Es ist geplant, das Ambiente eines Kinos aus dieser Zeit wiederzubeleben.

                                                              Kinofoyer mit Kartenschalter

Der Kinosaal hat bereits einen Anschluss für einen Beamer und eine Leinwand. Es sollen noch einige stilechte Kinosessel – selbstverständlich bewohnergerecht – hinzukommen. Durch entsprechende Wandgestaltung und Ausstattung wird ein Kinocharakter erreicht.
Der behindertengerechte Zugang wird im Rahmen der Umbaumaßnahmen hergestellt.
Die Mieter der WG sollen die Möglichkeit erhalten, zusammen mit der Betreuungskraft des Pflegedienstes oder mit Angehörigen Filme anzusehen, die sie emotional in besonderem Maße ansprechen. Dies sind z. B.:
- alte Spielfilme ( z. B. „Doktor Schiwago“),
- Filme, die ihren früheren Alltag zeigen (Leben auf dem Lande),
- Filme, die die eigene Familie hergestellt hat,
- Filme, die auf Dorfabenden über örtliche Ereignisse gezeigt wurden.

Es ist angestrebt, Filme zu erstellen, die auf Radfahrten der Umgebung aufgenommen werden. Sie zeigen den Blick auf die Strecke und die Umgebung, die die Bewohner vielfach in ihrem Leben zurückgelegt haben. Ein Beispiel ist zu finden hier:

Erinnerungen werden wach - Eine entspannte Fahrradtour über Nordstrand (Dank an Wolfgang Claussen, Husum) https://www.facebook.com/wolfgang.claussen/videos/10217796317840938

Angestrebt wird für dieses Vorhaben die Zusammenarbeit mit der Alzheimer Gesellschaft Nordfriesland.





Die Einrichtungsgegenstände (z. B. Kassenhäuschen) sollen die tiefen Erinnerungsareale im Gehirn anregen („triggern“) und dadurch die Menschen zu positiven Emotionen und zur Kommunikation anregen. Gefördert werden kann dieses Eintauchen in die Vergangenheit durch die dazugehörigen Rituale

- „Kauf“ eines Abreißtickets

- Popkornmaschine im Vorraum

- Kinoplakate

- „Verkauf“ von Eiskonfekt



Durch die emotionale Ansprache werden die Menschen angeregt, von ihren Lebenserinnerungen zu erzählen.



Die Mieter der WG können ihre Angehörigen/Freunde zum Kinobesuch einladen. So wird der Kinobesuch zu einem gemeinsamen Erlebnis, das die Inklusion fördert, die Biografiearbeit ermöglicht und zur Kommunikation mit Freunden und Nachbarn anregt. Das Kino soll wichtiger Bestandteil der Wohngemeinschaft werden. Die Wohngemeinschaft, die ja über das Hausrecht verfügt, kann auch kleine Gruppen aus der Gemeinde (z.B. Landfrauen) ins Kino einladen und auf die Weise das Kino als Teil des Dorfes etablieren. Diese Komponente mit Modellcharakter fügt sich hervorragend in das Gesamtkonzept der Wohngemeinschaft Golbers ein.



Der Kinobesuch ist in jedem Fall eine private Veranstaltung der Mieter. Es wird in keinem Fall ein Eintritt erhoben. Lizenz- und Urheberrecht werden beachtet.



Weitere Links:

https://www.stern.de/gesundheit/gesundheitsnews/demenz--in-holland-wird-betroffenen-ihr-vertrautes-leben-inszeniert-8568660.html

https://www.srh-telgte.de/fileadmin/daten/mandanten/srt/PDF/FBI/Erinnerungspflege_Kuhn.pdf

https://www.bibliomed-pflege.de/news/29336-biografiearbeit-in-der-pflege



19. Juli 2020



                                                     Kinoschalter für Eintrittskarten und Popcorn